Beitrags-Archiv für die Kategory 'Rezepte'

Ich koche, also bin ich – unabhängig

Samstag, 10. Mai 2008 14:10

Nicht alles kann ohne schwerwiegende Folgen ausgelagert werden – kritische Anmerkungen einer kochenden Zeitgenossin:

Aus den aktuellen Krisen rund um Nahrungsmittelknappheit und Hungerrevolten können wir vieles über Abhängigkeit und deren Folgen lernen. Zwar gibt es für die derzeitigen Probleme mehrere Ursachen – verdorbene Ernten im vergangenen Jahr, hohe Ölpreise, die steigende Nachfrage nach Agro-Sprit und die mit all dem zusammenhängenden Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Die wahrscheinlich wesentlichste Ursache aber heißt Abhängigkeit: Auf Grund der jahrelangen internationalen Politik mutierten zahlreiche Länder des Südens von Selbstversorgern zu Importeuren von Nahrungsmitteln. Statt in die kleinbäuerliche Landwirtschaft zu investieren, wurde sie durch den lukrativeren Anbau von Exportware für den Weltmarkt verdrängt. In der Folge verschwanden lokale Sorten, örtlich angepasstes Saatgut und auch das Wissen um geeignete Anbaumethoden. Der Preis dafür ist eine steigende Abhängigkeit vom Weltmarkt, von Nahrungsmittelimporten, von multinationalen Saatgutfirmen. Solange die Preise für Grundnahrungsmittel niedrig waren, schien das nicht so schlimm zu sein. Doch unter den heutigen Bedingungen ist es für viele Menschen eine Katastrophe.

palatschinken-flasche-pict0.jpg

Plastikflasche mit Weizenmehl, Glukosesirup, Trockenhühnerei und Vollsalz.

Was wir im industrialisierten Norden daraus lernen können ist, dass es Ernährungssicherheit ohne Ernährungssouveränität nicht gibt. Abhängigkeit, mangelnde Gestaltungsmacht und fehlendes Know-how führen gerade in einem derart existenziellen Bereich wie dem Essen früher oder später zu Problemen. Aber genau in diese Richtung scheinen sich die Ernährungsgewohnheiten westlicher Gesellschaften zu entwickeln. Viele Studien und Untersuchungen kommen da zu ganz ähnlichen Schlüssen: „Kochen und alles, was sich rund um die alltägliche Ernährung rankt, wird aus dem privaten Bereich mehr und mehr verdrängt“, konstatiert beispielsweise die Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler in einer aktuellen Studie des Zukunftsinstituts. Zeitmangel durch berufliche und andere familiäre Verpflichtungen, sowie der Wunsch nach persönlicher Freizeit spielen dabei eine Rolle. Dadurch verschwindet allerdings schön langsam auch das Wissen um die sachgemäße Verwendung von Lebensmitteln und die Fertigkeiten, die für das Kochen nötig sind.

Die Industrie hat auf diese Entwicklungen längst reagiert. Das Angebot an Fertig- und Halbfertiggerichten wird immer größer und auch die Qualität dieser Produkte wächst, entsprechend den gestiegenen Ansprüchen der KonsumentInnen, was Frische, Geschmack und Gesundheit betrifft. Was allerdings mitwächst ist die Abhängigkeit von den Angeboten der Nahrungsmittelhersteller. Mittlerweile gibt es schon Palatschinkenteig in Plastikflaschen. Eier, Milch und Mehl im richtigen Verhältnis zusammenmischen, das können offenbar viele nicht mehr. Das „Outsourcen“ der täglichen Versorgungsarbeit bringt zwar kurzfristig Entlastung, längerfristig gesehen ist der Preis dafür allerdings eine steigende Abhängigkeit vom Angebot der Nahrungsmittelindustrie und der Supermärkte.

palatschinken-zutaten-pict0.jpg

Zutaten für selbstgemachte Palatschinken/Pfannkuchen: Eier, Mehl, Milch.

Natürlich gibt es auch den gegenteiligen Trend: Wer unter der Woche keine Zeit hat, geht zumindest am Wochenende auf den Bauernmarkt einkaufen, zelebriert vielleicht das Kochen im Freundeskreis und gönnt sich am Samstag Abend einen Kochkurs beim Spitzenkoch. Aber machen wir uns da bloß nichts vor, diese Gegenbewegung erfasst nur einen kleinen Teil der Gesellschaft. Der Trend in Richtung Auslagern von Versorgungsarbeit – ob beim Putzen, bei der Kinderbetreuung, der Versorgung alter Menschen oder beim Kochen – ist wohl mächtiger, schon weil wirtschaftliche Interessen dahinter stehen. Dass diese Art des Lebens von einer Mehrheit bevorzugt wird, glaube ich hingegen nicht. Es ist wohl mehr ein sich arrangieren unter schwierigen Rahmenbedingungen. Und bei den Rahmenbedingungen müsste man auch ansetzen, denn die alltäglichen Belastungen sind real und der Wunsch nach Entlastung nur allzu verständlich.

Mag sein, dass die Lage in Österreich in Hinblick auf das Kochen und den Umgang mit Nahrungsmitteln (noch) nicht ganz so schlecht ist, wie beispielsweise in England, wo die Regierung vor kurzem das Kochen auf den Lehrplan der 11- 14 jährigen gesetzt hat – im Kampf gegen das zunehmende Übergewicht schon bei Kindern. Aber müssen wir mit geeigneten Maßnahmen warten, bis es bei uns auch soweit ist? Kochunterricht und Geschmacksbildung á la Slow Food wären auch in österreichischen Lehrplänen sinnvoll. Eine bessere Aufteilung der Erwerbsarbeit könnte mehr Zeit für die Versorgungsarbeit bringen. Diese in Familien gerechter zwischen Frauen und Männern aufzuteilen wäre ebenfalls ein wichtiger Schritt.

Derzeit leiden wir in unseren Breitengraden „nur“ unter erheblichen Preissteigerungen bei Lebensmitteln – was allerdings für Menschen mit geringen Einkommen schon schlimm genug ist. Ernährungssicherheit und -souveränität haben eine globale Dimension, eine nationale und – eine persönliche. Die beiden ersten Dimensionen prägen gerade die Schlagzeilen. Höchste Zeit auch mal einen Blick auf die persönliche Dimension dieses brisanten Themas zu werfen. Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität fangen nämlich in den privaten Küchen und Haushalten an.

P.S.: Ich habe den Palatschinkenteig aus der Plastikflasche nicht ausprobiert und habe es eigentlich auch nicht vor. Da geht es gar nicht um Geschmack, sondern das ist einfach ein absolut absurdes Produkt. Soviel überflüssiges Plastik für 4 – 6 Palatschinken!

Hier ist noch mein Lieblingsrezept für selbstgemachte Palatschinken: 2 Eier, 200 ml Milch, 100 g Mehl, eine Prise Salz und ein kleiner EL Olivenöl versprudeln – eine halbe Stunde stehen lassen, backen, am besten sofort essen und genießen!

Thema: Politik, Ich mach mir Gedanken, Kochen, Rezepte | Comments Off | Autor: sonja

Ungeduld im Februar

Sonntag, 17. Februar 2008 16:24

Ungeduld ist die Todsünde des Gärtners schreibt Ute Woltron im Rondo vom 16. Februar 2008, und meint damit: es hat keinen Sinn, die Samen für das Gemüsebeet zu früh in die Erde zu stecken, denn die Zeit bis zum Auspflanzen ist einfach noch zu lang. Ungeduld in gärtnerischer Hinsicht wird mit langen, schwächlichen, wässrigen Pflanzen bestraft, die spätestens kurz vor der Ernte k.o. geben. Also bitte Geduld, liebe Gärtnerinnen und Gärtner!

Aber was ist mit der Ungeduld der Köchin und der Essenden, wenn es Ende Februar wird, weit und breit (zumindest bei uns) kein frisches Grünzeug in Sicht ist und Karotten, Chinakohl und Kraut gewisse Unlustgefühle erzeugen? Im Supermarkt gibt es Eissalat, Paprika und Tomaten aus den plastikbedeckten Landschaften Spaniens, Frühlingszwiebel und Zucchini aus Italien (ist zumindest geografisch näher). Ungeduldige, die hier zugreifen, werden mit tendenziell geschmacklosem Essen bestraft und viele wahrscheinlich auch mit einem schlechten Gewissen (lange Transportwege, hoher Energieeinsatz, Klimakiller!).

Wir ÖsterreicherInnen essen schließlich lieber regionale Lebensmittel. Das haben wir jetzt auch amtlich, denn so steht es im Lebensmittelbericht 2008, den Landwirtschaftsminister Josef Pröll vor wenigen Tagen veröffentlicht hat. Danach ist die österreichische Herkunft das wichtigste Kriterium für den Kauf von Lebensmitteln, gefolgt von Qualität, Regionalität und Frische.

lebensmittelbericht_2008153.jpg

Quelle: Lebensmittelbericht 2008, S. 153

Allerdings spielt die österreichische Herkunft vor allem bei Milch, Butter und Schweinefleisch eine große Rolle. Bei Obst und Gemüse ist zwar die Frische das wichtigste Kriterium für die Kaufentscheidung, nicht aber die österreichische Herkunft. Das gibt mir zu denken: Ist denn nicht gerade bei den meisten Obst- und Gemüsesorten ein kurzer Transportweg mit größtmöglicher Frische verbunden? Oder wurden die Daten vielleicht im Februar erhoben, wo wir alle schon ein bisschen leiden unter dem eingeschränkten Angebot an regionalem Obst und Gemüse?

Wie auch immer, Auswege gibt es: Sie reichen von

a) mehr Geduld aufbringen, über

b) den Eigenanbau von Kresse am Fensterbrett,

c) die gelegentliche Verwendung von Tiefkühlgemüse bis zu

d) vermehrten Anstrengungen was den kreativen Einsatz von Lagergemüse betrifft.

Ich persönlich entscheide mich für einen Mix aus all dem. Hat jemand eine bessere Idee?

ad c): Blattspinat mit Kokosmilch:

Für 3 Personen ca. 400 Gramm Blattspinat (TK) mit ein wenig Butter und Wasser dünsten. Mit Salz, einer Prise Muskat und einem kräftigen Schuss Kokosmilch (Tetrapack) würzen. Dazu passt Couscous, Reis oder Polenta. Ein Blitzessen!

ad d): Chinakohl mit Äpfeln

feingeschnittenen Chinakohl mit blättrig geschnittenen Äpfeln mischen, Salatmarinade aus Essig, Salz, Senf und Olivenöl drüber, gut durchmischen. Schmeckt fruchtig und saftig und ist bei uns gerade sehr beliebt.

 

 

 

 

Thema: Lebensmittel, Ich mach mir Gedanken, Kochen, Rezepte | Comments Off | Autor: sonja

Autonomie und Aroma

Dienstag, 5. Februar 2008 11:52

Essen wollen wir alle. Kochen auch? Da scheiden sich die Geister. Manche erheben es zur Kulthandlung, anderen reicht es, wenn im Fernsehen gekocht wird. Kochen wird als kreative, sinnliche, meditative Tätigkeit erlebt, die Spaß macht oder auch als Belastung und stressige Verpflichtung, auf die frau gut verzichten könnte. Angeblich sind die Männer eher die Lustköche (Hobby, Wochenende, Gäste!) und viele Frauen können aufgrund der täglichen Verpflichtung zum Kochen (Kinder!) dem Lustprinzip nur selten oder gar nicht frönen.

Kochlust gegen Kochfrust – wie wird das Match ausgehen? Ich halte das in erster Linie für eine Frage der Rahmenbedingungen: Gibt es Zeit dafür im Alltag? Kann ich mir die Zeit nehmen? Wie setze ich meine Prioritäten? Wie schaut die Arbeitsteilung zum Beispiel in Familien aus? Welchen Stellenwert hat das Kochen in der Gesellschaft – abseits von Starköchen und Kochshows im Fernsehen?

Das sind einige der Fragen mit denen ich mich beschäftige und über die ich hier schreiben möchte.

Ist es überhaupt wichtig selbst zu kochen? Ich denke, ja. Für mich ist kochen ein Ausdruck von Autonomie. Mündige EsserInnen kommen nicht darum herum, selbst zu kochen. Immer nur Restaurant oder Essen aus dem Supermarkt kann´s ja wohl nicht sein.

Daher zum Einstand ein Lieblingsrezept: Die „aromatische Basis“ eignet sich als Grundlage für Suppen und Schmorgerichte und sorgt für geschmackliche Dichte und wunderbaren Duft: Zwiebel, Karotte, Stangensellerie in feine Stücke schneiden, Rosmarin und Salbei hacken und alles bei mittlerer Hitze in Olivenöl braten, bis es duftet. Das dauert etwa 10 Minuten.

Gehackter Knoblauch kommt erst gegen Ende dazu, damit er nicht verbrennt. Gemüse und Kräuter wähle ich nach Vorhandensein, Lust und Laune bzw. weiteren Plänen. Auch Petersilwurzeln, Fenchel und Lauch eignen sich, ebenso Thymian. Manchmal kommt auch Speck dazu. Chili darf auch sein. Die aromatische Basis wird mit roten Linsen, Wasser und Tomatenstücken zu einer mediterranen Linsensuppe, mit Hühnerkeulen und Tomatenpolpa zu einem perfekten Schmorgericht. Es gibt unzählige weitere Verwendungsmöglichkeiten, die alle eines gemeinsam haben: Sie sorgen für ein dichtes Geschmackserlebnis und ein warmes Gefühl im Bauch. In Italien heißt die aromatische Basis „Sofritto“ und wie das auch physikalisch genau funktioniert, weiß ich aus Hans Gerlachs wunderbarem Buch „Kochen fast ohne Rezept“. www.food-und-text.de

 

 

Thema: Ich mach mir Gedanken, Kochen, Rezepte | Kommentare (0) | Autor: sonja